Der 2013 verstorbene Tauchpionier Hans Hass ist im Jänner 1919 zur Welt gekommen. Aus diesem Anlass fand am 10. Jänner 2019 im Haus des Meeres ein sehr persönlicher Abend statt, an dem vier Vorträge Hans Hass‘ Talent, seine Persönlichkeit abseits der Kameras, die Mission seines Lebens und die Stimmung in den Pioniertagen der 1950er-Jahre beleuchteten.

Andreas Hantschk vom Wiener Naturhistorischen Museum fasste Hass‘ naturphilosophische Gedankenwelt zusammen: seine viel diskutierte Energon-Theorie, die ihn fünfzig Jahre lang annähernd so viel, wenn nicht noch mehr beschäftigte, als das Tauchen.

Hass betrachtete die Grundgesetze des Lebens aus einem neuen Blickwinkel. Er sah es als energetisches Phänomen und erkannte, dass jeder Organismus ein energieerwerbendes System ist, das notwendigerweise eine positive Energiebilanz aufweisen muss. Darüber hinaus stellte er sich die Frage, was dafür alles nötig sei. Ein zentrales Begriffsbild, so Andreas Hantschk, sei für Hass das sogenannte zusätzliche Organ, also ein Werkzeug, ein Hammer zum Beispiel, um einen Nagel einzuschlagen, oder die Spinne mit ihrem Netz gewesen.

Hantschk zusammenfassend: „Die Energon-Theorie ist für mich eine Fülle von interessanten Denkansätzen, die vor Hass niemand auf diese Weise formuliert hat. Sie wurde 1970 veröffentlicht und muss jedenfalls als Kind ihrer Zeit gesehen werden, im historischen Kontext.“ In den vergangenen Jahrzehnten hätten aber viele namhafte Wissenschaftler ähnliche Konzepte entwickelt. Hantschk: „Der mangelnde Erfolg der Theorie – unter dem Hass gelitten hat – ist meines Erachtens nach hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass er keiner etablierten Forschungsinstitution angehört hat.“

Der 81-jährige Peter Appelius berichtete als Zeitzeuge von jenen Tagen, als Hans Hass ein junger Held war und in Wien alle jungen Männer so sein wollten wie er.

Appelius ließ sich in den 1950er-Jahren wie sein Vorbild ein wasserdichtes Gehäuse für seine Fotokamera bauen und war der erste Taucher, der unter Wasser fotografierend die Donauauen erkundete: „Ich habe eine klare Vision gehabt: Ich möchte unter Wasser fotografieren und ich möchte ähnlich wie Hans Hass in den Au-Gebieten rund um Wien Unterwasserfotos machen! Das ist dann tatsächlich gelungen.“

Hans Hass‘ Tochter Meta Raunig-Hass stellte den Forscher als Familienvater vor. Als Wissenschaftler hätte er das ständige Interesse an Experimenten gehabt, daran, Dinge auszuprobieren. Das sei der Schlüssel für viele seiner Erfolge gewesen und hätte ihn auch privat nie losgelassen.

Meta Raunig-Hass: „Was er wirklich geliebt hat, war zu schauen, was für Reaktionen Menschen haben, indem man sie einfach vor den Kopf stößt und dann schaut, was passiert. Ein wunderbares Beispiel: Er geht in die AIDA (Anm.: eine Wiener Café-Konditorei, bekannt als Tempel der Süßspeisen), setzt sich dort hin, und bestellt ein Steak mit viel Pommes frites und Ketchup. Die Serviererin sagt, das tut ihr leid, aber das führen sie nicht. Sagt er, na gut, dann nehm‘ ich halt ein Schnitzel, aber mit Kartoffelsalat. Die arme Frau wurde immer verzweifelter und tatsächlich hat er die Sache natürlich irgendwie aufgelöst. Aber es ging ihm darum zu sehen, was er für eine Reaktion hervorrufen kann.“

Die Zoologin Margarete Roithmair war zehn Jahre lang Hans Hass‘ letzte Assistentin und Privatsekretärin. Sie betreute ihn bis zu seinem Ableben und hatte das Privileg, den großen Forscher privat zu erleben:

„Er war ein akribischer Faktensammler und zeigte noch immer eine Wissbegierde und Neugier für das Unbekannte und das Neue, für das Leben und die Natur. Ich habe ihn als einen Menschen erlebt, der auch im Spätherbst seines Lebens einen Freiheitsdrang in sich trug. Und ich denke es ist nicht zufällig, dass er das weite Meer als seinen Studienort gewählt hat.“

Die Arbeit fand fast ausschließlich in Hans Hass‘ kleinen Büro in der Wiener Sonnenfelsgasse statt. Waren die wichtigsten Dinge getan, verstand er es auch, eine Weile innezuhalten.

Margarete Roithmair: „Unter anderem verband uns unsere Vorliebe für Gin Tonic. Und an besonders anstrengenden Tagen und nach längeren Schreibarbeiten setzten wir uns dann gerne hin und, in einträchtigem Schweigen nebeneinander ruhend, genossen wir unseren Gin Tonic.“

Hans Hass hätte überdies die beglückende Fähigkeit besessen, sein Leben in weiser Übersicht und Gleichmut und wahrzunehmen: „Er konnte sich an die guten Tage mit Freude und an die schlechten ohne Bitterkeit erinnern.“

DIA-SHOW DES ABENDS (Fotos: Jutta Kirchner)

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